Das Urteil des BGH zum Thema „Glücksspiel“-und Interview mit Rechtsanwalt Marc Ellerbrock

Veröffentlicht:

Sonntag, 28.07.2024
von wpservice

Interviewer: Herr Rechtsanwalt Ellerbrock, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich eine interessante Entscheidung im Bereich des Glücksspielrechts getroffen. Können Sie uns die Kernpunkte erläutern?

RA Ellerbrock: Gerne. Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall, der sich um die Rückforderung von Verlusten aus Online-Sportwetten dreht, dem Europäischen Gerichtshof eine wichtige Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es geht im Kern darum, ob die EU-Dienstleistungsfreiheit es verbietet, Sportwettenverträge als nichtig zu betrachten, wenn der Anbieter zwar keine deutsche Konzession hatte, aber in einem unionsrechtswidrigen Verfahren daran gehindert wurde, eine solche zu erhalten.

Interviewer: Was sind die Hintergründe dieses Falls?

RA Ellerbrock: Ein Spieler hatte bei einem in Malta ansässigen Anbieter zwischen 2013 und 2020 an Online-Sportwetten teilgenommen und dabei Verluste erlitten. Der Anbieter verfügte in diesem Zeitraum über keine deutsche Konzession, obwohl er eine beantragt hatte. Der Spieler fordert nun seine Verluste zurück, mit der Begründung, die Wettverträge seien wegen des Verstoßes gegen den Glücksspielstaatsvertrag nichtig.

Interviewer: Wie hat der Bundesgerichtshof die Rechtslage bisher eingeschätzt?

RA Ellerbrock: Der BGH neigt dazu, die Verträge als nichtig anzusehen. Er argumentiert, dass die zivilrechtliche Nichtigkeit keine Strafe darstellt, sondern dem Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs dient. Auch sieht er die Gründe des Allgemeininteresses, wie den Schutz vor übermäßigen wirtschaftlichen Schäden durch Glücksspiel, als weiterhin gültig an – selbst wenn das Konzessionsverfahren unionsrechtswidrig war.

Interviewer: Welche Bedeutung hat diese Vorlage an den EuGH?

RA Ellerbrock: Sie ist von großer Bedeutung für die gesamte Glücksspielbranche in Deutschland. Die Entscheidung des EuGH wird klären, inwieweit die EU-Dienstleistungsfreiheit Einfluss auf die zivilrechtliche Beurteilung von Glücksspielverträgen hat. Dies könnte weitreichende Folgen für Rückforderungsansprüche von Spielern haben.

Interviewer: Gibt es noch andere relevante Aspekte in diesem Fall?

RA Ellerbrock: Ja, der BGH hat in einem Parallelverfahren angedeutet, dass bei Verstößen gegen materielle Glücksspielvorschriften, wie etwa die Überschreitung von Höchsteinsätzen, die Nichtigkeit der Verträge wahrscheinlicher ist. In dem vorliegenden Fall geht der BGH aber zugunsten des Anbieters davon aus, dass solche materiellen Vorschriften eingehalten wurden.

Interviewer: Wie lange wird es voraussichtlich dauern, bis wir eine endgültige Entscheidung in dieser Sache haben?

RA Ellerbrock: Das ist schwer zu sagen. Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH können einige Zeit in Anspruch nehmen. Ich würde mit mindestens einem Jahr rechnen, möglicherweise auch länger. Erst danach wird der BGH seine endgültige Entscheidung treffen können.

Interviewer: Herr Ellerbrock, vielen Dank für diese aufschlussreichen Einblicke.

RA Ellerbrock: Gerne, ich danke Ihnen für das Gespräch.