DERIVEST GmbH – Haftet der Geschäftsführer?

Veröffentlicht:

Mittwoch, 09.11.2022
von Redaktion

Die DERIVEST GmbH schloss Rangrücktrittsvereinbarungen mit Kleinanlegern und sammelte Kapital ein. Im Jahr 2018 entschied das Oberlandesgericht Bamberg zu Gunsten der Verbraucher, dass die Rangrücktrittsvereinbarung intransparent und damit unwirksam war. Das Unternehmen hat daraufhin keine Berufung eingelegt, sondern die Darlehensverträge aller Kleinanleger gekündigt, zur Rückzahlung fällig gestellt und anschließend die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt.

Rechtsanwältin Kerstin Bontschev machte daraufhin im Auftrag von Anlegern Ansprüche gegen den damaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, der nach ihrer Auffassung gegenüber den Anlegern persönlich auf Zahlung des klageweise geltend gemachten Betrages haftet (gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 54 Abs. 1 Nr. 2, 32 Abs. 1 KWG, 31 BGB) geltend. Durch den Abschluss der streitgegenständlichen Darlehensverträge habe der Geschäftsführer gegen die Vorschriften des Schutzgesetzes nach § 32 Abs. 1 KWG verstoßen.

Bei der Entgegennahme der Gelder aus den Nachrangdarlehensverträgen handelt es sich aufgrund der Unwirksamkeit der Nachrangvereinbarung um die Annahme von Einlagen, weil so nur ein einfacher Darlehensvertrag vorliegt. Deshalb nahm Frau Bontschev den Geschäftsführer nicht nur auf Zahlung des Darlehensbetrages in Anspruch, sondern beantragte auch die Feststellung, dass der mit der Klage geltend gemachte Betrag durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung verursacht wurde. Aus diesem Grund sei der Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet und kann sich hinsichtlich dieser Forderung gegen ihn nicht durch ein Insolvenzverfahren entziehen.

In der ersten Verfahrensreihe, die am 04.11.2022 durchgeführt wurde, wurde der Rechtsanwalt, der damals die Gesellschaft betreute und die Rangrücktrittsvereinbarungen für 3 Tranchen vorbereitete, befragt. Er bestätigte, dass der Geschäftsführer im Tagesgeschäft mit KWG-Angelegenheiten erfahrener gewesen sei als der Zeuge selbst. Dr. Gündel gab auch an, dass er das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg, das die Unwirksamkeit der Rangrücktrittsvereinbarung feststellte, für falsch hält. Gemäß Bontschev sei das Urteil aber nachvollziehbar, da die Klausel, die den Rangrücktritt enthält, sich nämlich in § 8 Satz 1 und § 8 Satz 2 hinsichtlich des Ranges widerspricht.

Zudem ist der Umfang des Rangrücktritts unklar und es wurde vom OLG Bamberg in einem Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass der BGH bereits in seinem Urteil vom 05.03.2015 – IX ZR 133/14 entschieden hat, dass die Eindeutigkeit des vereinbarten Ranges für die Haftung der Darlehen in der Bilanz maßgeblich ist. Nach Auffassung von Frau Bontschev handelte es sich um eine Pflichtverletzung der den Insolvenzschuldner betreuenden Kanzlei.

Der Geschäftsführer kann sich aber nicht damit exkulpieren, dass er die Übertragung der Rangrücktrittsrechte vollständig auf die Kanzlei übertragen hatte; ihm war bewusst, zumal seine Gesellschaft zuvor Genussrechte ausgegeben hatte, dass die Frage des Rangrücktritts entscheidend dafür ist, ob ein unerlaubtes Einlagengeschäft vorliegt oder nicht. Das Gericht muss nun darüber urteilen, ob ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorliegt, d.h. ob Herr Fürst als damaliger Geschäftsführer den fehlenden Rangrücktritt nicht erkennen konnte und alles Erforderliche getan hat, um den Verbotsirrtum zu vermeiden. Aus Sicht der Rechtsanwältin Bontschev war der Verbotsirrtum vermeidbar, weshalb sie sich der Rechtsprechung des BGH anschließen.

Die Beurteilung des unvermeidbaren Verbotsirrtums erfordert nun einmal nach der Rechtsprechung des BGH ausreichende Feststellungen zu Anlass, Zweck und Inhalt des dem Rechtsanwalt erteilten Auftrags (BGH, Urteil vom 27.06.2017 – VI ZR 424/16). Gegebenenfalls muss der Geschäftsführer ein Sachverständigengutachten erstellen lassen. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Die Beweislast liegt nun bei dem beklagten Geschäftsführer.